Innerhalb der Circumvallationslinie

© 2005 Silvia Friedrich

Wer die Berliner Vergangenheit wieder aufleben lassen möchte, sollte sich in der Stadt einmal auf den zahlreichen Friedhöfen umsehen.

Vorzustellen wäre hier als einer der vielen, der Garnisonsfriedhof in Berlin-Mitte in der kleinen Rosenthalerstraße. Schon wenn man sich in die Nähe dieses alten Gemäuers begibt, hat man das Gefühl eine Zeitreise anzutreten. Eine enge Straße führt an von Efeu umrankten Mauern vorbei zum Friedhofseingang, über dem gut sichtbar die Jahreszahl 1722 prangt. Diese Zahl zeigt keineswegs die Gründung des Friedhofes an, wie man auf einer Tafel gleich nach dem Betreten erfährt, sondern weist auf die Einweihung der Anlage hin. Nachdem man es durch die kleine Rosenthalerstraße bis ins 18. Jahrhundert geschafft hat, befindet man sich nun endlich auf einem der ältesten Friedhöfe Berlins. Läßt man vom Eingang aus seinen Blick über das relativ kleine Gelände schweifen, wird die dreihundertjährige Geschichte beinahe spürbar. Bei Kriegsende 1945 wurden hier über Tausend Menschen in Massengräbern notdürftig verscharrt. Ein Abbild der preußisch-deutschen Geschichte soll sie sein, diese Ruhestätte. Doch zunächst wundert man sich über die wenigen Grabdenkmäler, die noch erhalten sind. Geht man jedoch durch das nicht mehr erhaltene Wegenetz über wiesenartige Freiflächen, werden es plötzlich doch immer mehr Kreuze, Stelen und Säulen und es drängt sich die Frage auf, wo die sich beim ersten Hinsehen versteckt hielten. Erhaltene Monumente von hohem kunsthistorischen Wert sind zu betrachten. Charakteristisch die vielen gußeisernen Kreuze, 32 an der Zahl aus der Blütezeit des Berliner Eisenkunstgusses, die diese Aera dokumentieren. Mit beginnendem Industriezeitalter war der Eisenkunstguß als ein Zweig der Technologieentwickling entstanden. Staunend spaziert man an Zeugnissen klassizistischer, romantischer und neogotischer Grabmalkunst vorbei und quasi als Zugabe darf man sich noch an Beispielen aus dem Jugendstil erfreuen.

Im Jahre 1655 gründete sich die Garnisonsgemeinde, die 1706 vom ersten Preußenkönig Friedrich I., ein Stück Land zur Bestattung ihrer Verstorbenen angewiesen bekam. Dieses Land befand sich innerhalb der Zoll-und Stadtgrenze, die man auch als Circumvallationsgrenze bezeichnete. Auf einem Teil des Friedhofs wurden in der Folgezeit vornämlich Offiziere des preußisch-deutschen Heeres beerdigt. Aber nicht nur. Auf einem anderen, nicht mehr erhaltenen Teil des Geländes, dem sogenannten Gemeinenfriedhof, beerdigte man die Mannschaften des Heeres.

Ausschließlich einer Inititave des Institutes für Denkmalpflege und des Kulturbundes der DDR ist es zu verdanken, daß wir heute noch ein wenig von dem sehen dürfen, was hier einmal in Pracht erstrahlte. Die Initiative setzte sich für den Erhalt wertvoller Denkmäler ein, konnte aber auch nicht verhindern, daß dieses historisch so wichtige Terrain parkähnlich umgestaltet, das Wegenetz vollständig entfernt und von 489 Grabdenkmälern, 309 entfernt wurden. Nach diesem Tabula-Rasa-Spiel stellte man das Gebiet unter Denkmalschutz.

Trotz Zerstörung und nur noch weniger Restbestände, sollte man diesen Kirchhof einmal besuchen, um sich für eine halbe Stunde in einer anderen Zeit, der noch verbliebenen Schönheit des Vergangenem hinzugeben.